Februar 2020

Er sei besessen, sind sie sich einig im Dorf

Zwei Jahrzehnte lang lebt der Plantagenarbeiter Andre Dembele, 49, in Ketten. Bewegungslos hockt er in der Schwüle auf seinem Bett, inmitten von Exkrementen und schwirrenden Fliegen. Ein Skelett, das von Pergamenthaut überzogen ist, mit gelben Fingernägeln wie Krallen. Nur selten hebt sich das Tuch an der Türöffnung und er bekommt eine Blechschale mit gestampftem Maniok oder etwas Wasser hereingeschoben. Die Enkel hat er nie kennen gelernt, die Beerdigung des Vaters fand ohne ihn statt.

Es war sein eigener Bruder, der ihm eine Eisenstange zwischen die Knöchel geschraubt hat. Sorgfältig fixiert mit zwei Manschetten, die längst von Rost überzogen sind. Er sei besessen, sind sie sich einig im Dorf, und fürchten sich vor den Dämonen, die den Kirchgänger, fleißigen Plantagenarbeiter und Familienvater in einen Unberechenbaren verwandelt haben. In einen, der andere schlug und sie anbrüllte, wenn er wieder eine psychische Krise durchlebte.

„Nehmt euch in Acht vor dem Verrückten“, warnen die Alten im Dorf Kemena in Burkina Faso, und die Jungen hören darauf. Schon die bloße Berührung eines Epileptikers, eines Schizophrenen, eines Manisch-Depressiven könne dazu führen, dass die Dämonen überspringen auf die Gesunden.

Mittlerweile wurde Andre Dembele befreit und in einem unserer Partnerzentren behandelt.

Foto: Heinz Heiss.

21.02.2020
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