Oktober 2020

Internationaler Tag der psychischen Gesundheit

Internationaler Tag der psychischen Gesundheit: 10. Oktober. #WorldMentalHealthDay
„Mein größter Traum ist es, eine feste Arbeit zu finden. Ich liebe es, auf dem Bau auszuhelfen. Aber ich höre immer noch diese Stimmen. Das hat angefangen, als ich 18 Jahre alt war und zum ersten Mal mein Dorf verlassen hatte. Ich war in die Stadt gezogen, um dort zu arbeiten. Dann waren plötzlich die Dämonen da. Sie flüsterten mir zu. Ich verstand nicht, was sie sagten.

Ich kehrte ins Dorf zu meiner Familie zurück. Ich sang nachts Lieder und machte Lärm. Mein Vater war sehr besorgt. Die Nachbarn sagten ihm, ich sei nicht normal, er solle etwas unternehmen. Ich spürte, dass die Menschen im Dorf Angst vor mir hatten und sich von mir fernhielten. Dann erfuhr mein Vater von St.Camille. Er schickte nach denen und die holten mich ab. Zehn Jahre blieb ich im Zentrum. Ich bekam dort Medikamente, die mir halfen. Ich konnte wieder schlafen. Als ich stabiler wurde, konnte ich auch wieder arbeiten. Ich hielt den Hof sauber und half, die anderen Kranken zu waschen. Seit fünf Jahren bin ich jetzt wieder zuhause. Ich arbeite täglich auf dem Feld. Meine Eltern bauen Maniok, Yams und Cashewnüsse an. Die Arbeit macht mir Spaß. Die im Dorf haben sich an mich gewöhnt. Sie greifen mich nicht an. Aber immer noch nehme ich Medikamente. Das ist wichtig, sonst erleide ich Rückfälle und kann nicht mehr schlafen. Morgens eine Tablette und abends eine. Aber mein Vater klagt, dass sie so teuer sind, zehn Euro im Monat. Mein Vater sagt in letzter Zeit wieder häufiger, dass er überfordert ist mit mir, psychisch wie finanziell. Aber ich will Zuhause bleiben. Ich gehöre zu meiner Familie. Wenn wir Vollmond haben, ist es mit mir am schlimmsten. Dann höre ich wieder Stimmen. Es ist, als säßen mehrere Personen in meinem Kopf. Ich kann sie hören, aber nicht sehen. Dann gibt mir mein Vater eine Spritze, und sie verschwinden. Manchmal weint mein Vater vor Verzweiflung.“ Félix Bodoin, 34 Jahre alt. (Name geändert)

Foto: Uli Reinhardt/Zeitenspiegel

10.10.2020
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