Es ist unklar, wie lange Monica* an der Kette gelebt hatte. War es ein Monat, war es ein halbes Jahr? Ihre eigene Mutter hatte die damals 20-Jährige im Dorf Brobo in der Elfenbeinküste an einen großen Baumstamm fesseln lassen. Eine übliche und fürchterliche Methode: In das Holz wird eine tiefe Kerbe gesägt, in die dann das Bein des Kranken gezwungen wird – manchmal auch beide Beine. Mensch und Holz werden dann mit Kabeln oder Metallstangen miteinander verschränkt, so dass der Kranke/die Kranke sich nur noch mit dem Baumstamm durchs Dorf bewegen bzw. rutschen kann.
Monica war erkrankt, nachdem sie von einem Unbekannten vergewaltigt worden war. Sie beschimpfte die Menschen in ihrem Dorf, ihre Mutter, sie machte ihrer Familie Angst. Aus Überforderung beschlossen sie irgendwann, die junge Frau zu fixieren – unter freiem Himmel, am Rand des Dorfes.
Nachdem ein lokaler Mitarbeiter von St. Camille von ihrem Schicksal erfuhr, wurde Monica befreit – mit der Zustimmung der Familie. Fünf Jahre später lebt sie in Bouake und hilft im Reha-Zentrum für Frauen. Dort versucht man Patientinnen, die sich wieder stabilisiert haben, auf ein Leben außerhalb der Zentren vorzubereiten. Ein langer Weg. Noch will Monica nicht zurück in ihr Dorf – dort lebt immer noch ihr Vergewaltiger und die Menschen, die sie jahrelang im Holz und im Staub gedemütigt hatten.
18.08.2020